9. März 2024
Mental Health Days - seelische Gesundheit Tag für Tag
Ich wurde gestern zu einem interessanten und inspirierenden Gespräch mit Golli Marboe ins Medienzentrum VSUM (Verein zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien) eingeladen. Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, insbesondere im Rahmen der "Mental Health Days",niederschwellig über Möglichkeiten zum Schutz der seelischen Gesundheit zu informieren und sendet regelmäßig Podcasts zum Thema "Mental Health". Da ich im Interview nicht alles untergebracht habe, stelle ich hier meine Verschriftlichung öffentlich, für Sie zur Information. Der Podcast wird demnächst veröffentlicht: mental health radio
#870 Caroline Koczan : Zuversicht regt an handlungsfähig zu sein
Was ist der Unterschied zwischen Traumatherapie und Traumapädagogik?
Traumatherapeut:innen wenden therapeutische Maßnahmen, Methoden und Techniken an (z.B. Stabilisierungstechniken, Techniken zum Selbstschutz vor Flashbacks, EMDR zur Integration des traumatischen Erlebnisses) und darüber hinaus besprechen sie mit Klient:innen im Laufe der Therapie das traumatische Erlebnis. Im Gegensatz dazu besteht die Hauptaufgabe der Traumapädagogik darin, Menschen mit Traumafolgen zu stabilisieren, Strategien und Übungen (z.B. Entspannungsübungen, Gedankenreisen, etc.) zur Bewältigung von Stress anzubieten und zu trainieren, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie mit belastenden Auswirkungen eines Traumas umgegangen werden kann (Panikattacken, Alpträume, Unruhe, Angst, etc.). Eine weitere Aufgabe der Traumapädagogik ist das ressourcenorientierte Arbeiten mit Menschen mit Traumafolgestörungen, d.h. jene Bereiche mit den Klient:innen aufzuspüren, die Freude machen, die ihre persönlichen individuellen Fähigkeiten und Stärken wieder aktivieren.
Was hat Kommunikation mit dem seelischen Befinden zu tun? Wie kommunizieren wir?
Wir können nicht nicht kommunzieren. Unser Körper spricht immer. Zu 55% kommunizieren wir nur mit unserem Körper. Zu 38% mit Stimme und Tonlage und nur zu 7% mit dem, was wir tatsächlich sagen. Ich denke mir oft, was geht da in den sozialen Medien verloren? Sämtliche Emojis ersetzen die Körpersprache nicht. Die Körpersprache müssen wir übrigens nicht erlernen, die kann jeder perfekt – lernen können wir, was die Körpersprache einer anderen Person bei uns auslöst und warum wir darauf in dieser oder jener Art reagieren.
In der Traumapädagogik spielt die Körpersprache insofern eine Rolle, als ich durch Selbstachtsamkeit an mir erkennen kann, was meine Körperhaltung für ein Gefühl in mir auslöst. Es gibt den schönen Satz: Haltung gibt Halt. Probieren Sie das einmal aus: gehen Sie erst einmal mit herabhängenden Schultern und gesenktem Kopf einige Schritte. Die hängenden Schultern, der eingesunkene Oberkörper signalisiert dem Gehirn Inaktivität, Gleichgültigkeit, Frust, Erschöpfung, etc. Der gesenkte Kopf schränkt das Blickfeld, Ihre Perspektive ein. Und nun richten Sie Ihren Oberkörper auf. Bieten Sie der Welt Ihre Breitseite, heben Sie den Kopf. Ihr Blickfeld wird weiter, Ihre Perspektive weitet sich. Und nun atmen Sie tief ein und gut aus. Und jetzt überlegen Sie, was hat sich jetzt besser angefühlt? Körpersprache signalisiert also nicht nur einem Gegenüber ein Gefühl, sondern vor allem uns selbst, nämlich unserem Gehirn.
Diesen Umstand kann man wunderbar positiv nützen. Die Neurologin und Psychotherapeutin Claudia Croos-Müller hat eine Technik entwickelt, die sich diesen Umstand, dass Gefühle sich in Körperhaltungen ausdrücken, zunutze gemacht hat. Sie hat erkannt, dass es auch umgekehrt funktioniert. Das heißt, wenn es mir nicht gut geht, wenn ich Stress habe, wenn ich frustriert bin, Panik oder Angst verspüre, kann ich Bewegungen machen, die mit positiven Gefühlen verbunden sind, z.B. springen, trommeln, breitbeinig gehen, winken, oder bestimmte Atemtechniken anwenden kann, wie pfeifen oder wie durch einen Strohhalm aus- und einatmen und vieles mehr – das Resultat ist, dass all diese Bewegungen oder Atemübungen dem Gehirn sofort positive Gefühle signalisieren und die negativen Gefühle wie Angst, Panik, Stress etc lahmlegen. Das sind also sehr selbstwirksame Erste-Hilfe-Übungen bei belastenden Gefühlen. Diese „body2brain“-Übungen machen Spaß und sind fast alle überall leicht anzuwenden. Diese Übungen sind übrigens in Büchern erhältlich.
"Wollen wir eine Brücke schlagen von Mensch zu Mensch - und dies gilt auch von einer Brücke des Erkennens und Verstehens - so müssen die Brückenköpfe eben nicht die Köpfe, sondern die Herzen sein." Viktor E. Frankl - wie ist der Weg dorthin? Können das alle Menschen schaffen?
Ich verstehe dieses Zitat so: der Kopf setzt oft Grenzen, das Herz, die Gefühlsebene hat ganz andere Zugänge. Der wichtigste Zugang zu einem DU ist die Empathie. Wenn ich z.B. einem Menschen mit problematischer Biografie begegne, dann kann der Kopf mich beeinflussen, durch vergangene schlechte Erfahrungen, die vielleicht mit diesem Menschen, dem ich gerade jetzt begegne, gar nichts zu tun haben, aber ich kann ihm nicht mehr vorbehaltlos und vorurteilsfrei begegnen. Wenn ich dem Menschen auf der Herzensebene, mit Empathie begegne, mir diesen Menschen mal vorbehaltlos anschaue, ihm zuhöre, dann schwingt vielleicht plötzlich etwas mit, was ich vielleicht an mir auch erkenne und wir finden eine gemeinsame Basis. Und wenn diese gemeinsame Basis, auf Grund der Empathie, hergestellt ist, dann kann ich mein Gegenüber auch erkennen und vielleicht auch verstehen.
Kann man Empathie lernen? Ich glaube, Empathie verlangt die Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen, auf der Gefühlsebene. Vielleicht beginnt Empathie mit Empathie für sich selbst und wer Zuwendung und Empathie von anderen an sich selbst erfahren hat, kann leichter selbst empathisch sein. Das größte Hindernis der Empathie ist die Angst.
Was ist Fair Therapy und wodurch unterscheidet sich Fair Therapy von „klassischer" Psychotherapie?
Fair Therapy ist ein Verein in Wien, der es sich zum Ziel setzt, Menschen, die an Traumafolgen leiden und sich eine notwendige Psychotherapie nicht leisten können, eine qualitativ hochwertige kassenfinanzierte Traumatherapie möglichst niederschwellig in Gruppentherapien zu ermöglichen. Die Gruppentherapien sind regelmäßig. Darüber hinaus bietet Fair Therapy auch sogenannte „Gruppen +“ an. Das sind spezielle ressourcenorientierte Neigungsgruppen wie eine Singgruppe, eine Theatergruppe, eine Wandergruppe, eine Strickgruppe oder eben die Kreativgruppe, die ich gemeinsam mit der Traumatherapeutin Birgit Troger Rösch leite.
Fair Therapy unterscheidet sich von einer üblichen Psychotherapie vor allem durch das Angebot der Gruppentherapien, die traumaspezifische Psychotherapie, durch die regelmäßigen Ressourcengruppen und dass die Angebote für die Betroffenen zur Gänze kostenlos sind.
Wie ist „Leinen Los" entstanden und warum braucht es ein Zuversichtstraining für Kinder und Jugendliche?
Die Idee zum Zuversichtstraining für Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 12 Jahren entstand aus dem Umstand, dass viele Kinder und Jugendliche nach der Coronakrise wieder Halt, Sicherheit, Zuversicht und Kontakt zu ihren eigenen Stärken und Fähigkeiten gebraucht haben. Kinder können ja, anders wie Erwachsene, nicht auf einen reichen Lebenserfahrungsschatz zurückgreifen. Daher sind für sie Krisen schwieriger zu bewältigen, als für Erwachsene, die bereits Krisen erlebt und bewältigt haben und über viel Lebenserfahrung verfügen. Andererseits haben Kinder aber großartige Strategien zur Bewältigung von Krisen. Sie leben sehr im Hier und Jetzt – was aber gerade bei der Coronakrise auch ein Problem war, denn diese Krise hat sich nahezu auf alle Lebensbereiche der Kinder ausgewirkt.
Mir ist es daher ein Anliegen, die Ressourcen der Kinder wieder zu wecken, ihren Blick auf das Erfreuliche, das Positive zu lenken und negative Gefühle wie Stress, Frust, Angst gezielt mit „body2brain“ Übungen, mit Bewegung, Kreativität, Reflexion, Achtsamkeits-, Entspannungs- und Selbstwirksamkeitsübungen etc abzubauen. Zuversicht muss man nämlich wirklich trainieren, den Blick auf das Positive zu lenken, kann man üben. Zudem ist das Zuversichtstraining auch ein Training für Kommunikation und soziale Kompetenz, weil die Kinder stark mit der Gruppe agieren.
Leinen los! - sobald es wieder Termine dieses Angebotes gibt, werden sie auf der Seite der Evangelischen Pfarrgemeinde, 1090 Wien veröffentlicht! Evangelische Pfarrgemeinde, Seegasse 16, 1090 Wien
Was bedeutet denn „Zuversicht" für Sie und was unterscheidet Zuversicht von Hoffnung?
Beides bedeutet der Möglichkeit Raum zu geben, dass eine schwierige Situation auch wieder gut werden kann. Während aber die Hoffnung zukunftsorientiert ist und ich meistens, das worauf ich hoffe, selbst nicht in der Hand habe, also etwas das von „oben“ kommt, ist die Zuversicht eine Kraft, die im Hier und Jetzt wirksam ist. Für mich ist Zuversicht eine lebensbejahende Kraft, die mich anspornt zu einem „trotzdem“, zur Selbstwirksamkeit und mich herausholt aus der Ohnmacht, aus der Handlungsunfähigkeit, weil sie mich zum aktiven Tun anregt.
Ein Beispiel: ich möchte nächstes Wochenende gerne eine Bergwanderung machen. Ich hoffe, dass das Wetter schön sein wird, dass es nicht regnet, kein Wintereinbruch kommt. All das liegt nicht in meiner Hand. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Wanderung auf alle Fälle schön wird, denn ich habe eine gute Wanderausrüstung, ich kenne die Strecke, ich weiß wo die Schutzhütten liegen, ich tue alles, um mich gut vorzubereiten, deshalb bin ich zuversichtlich.
Zuversicht beginnt für mich auch mit Dankbarkeit. Mit Dankbarkeit für alles, was in meinem Leben gut gelaufen ist. Frei nach Viktor Frankl, schaut die Zuversicht nicht auf das Stoppelfeld der Vergänglichkeit, sondern auf die vollen Scheunen der Vergangenheit, oder wie ich es gerne nenne: die Scheune der Erinnerungen, in der ich alle meine persönlichen positiven Erinnerungen sammle, die mir in Zeiten der Krise Kraft und Trost geben. Ich habe übrigens seit vielen Jahren eine Dankesglas, in dem ich Zettel sammle, auf die ich das ganze Jahr über Momente, Situationen festhalte, für die ich dankbar bin. Das Glas füllt sich dann während des Jahres und zu Silvester dann leere ich das Glas und lese mir alle Zettelchen durch. Ich bin jedes Mal erstaunt, wie viel Gutes mir das ganze Jahr über begegnet ist und dass das Leben es gut mit mir meint. Das wieder stärkt meine Zuversicht für das kommende Jahr.
Wie kann ich den Moment leben lernen, ohne mich ständig mit der Vergangenheit oder der Angst vor der Zukunft zu beschäftigen?
Leider haben wir als Erwachsene verlernt, was wir als Kinder so gut konnten. Es ist faszinierend, Kinder beim Spiel zu beobachten, wie sehr sie im Hier und Jetzt versunken sind ins Spiel. Sie vergessen darüber sogar das Hier und Jetzt und befinden sich sogar oft offenbar außerhalb von Zeit und Raum. Wer Kinder hat und das einmal miterlebt hat, weiß wie toll das ist.
Im Moment zu leben, hat sehr viel mit Wahrnehmung und Achtsamkeit zu tun: mit Selbstwahrnehmung und mit Wahrnehmung der Umgebung. Es tut gut, sich mal rauszunehmen aus dem Alltagstrott für einen Moment, für diesen Moment – das ist wie eine kleine Auszeit, die sich alle von uns gönnen können.
Wer den Moment genießt, denkt automatisch nicht an Zukunft oder Vergangenheit. Und wer Angst verspürt kann sofort einer der vorhin erwähnten „body2brain“Übungen anwenden. Wenn nicht im Moment eine tatsächliche Gefahr lauert, die mir berechtigter Weise Angst macht, dann werde ich in einem Moment, in dem ich mich auf eine Blume, eine kleinen Käfer, der auf der Blume sitzt konzentriere, auf den Gesang der Vögel im Park, auf das Kinderlachen am Kinderspielplatz, keine Zukunftsangst spüren, weil meine Konzentration ganz woanders liegt. Wenn ich auf der Parkbank aber Probleme der Zukunft wälze oder schlimme Erlebnisse der Vergangenheit wieder wachrufe, dann werden mich die Zukunftsangst und die vergangenen Ängste einholen. Die Frage ist: was davon tut mir gut? Was davon kann ich ändern? Die Vergangenheit kann ich nicht mehr ändern, die Zukunft kann ich nur bedingt beeinflussen, aber im Hier und Jetzt kann ich gestalten.
Wie kann ich das lernen, im Augenblick, im Moment zu leben?
Im Moment zu leben kann ich in jedem Moment lernen. In der Früh unter der Dusche oder dann beim Kaffee oder Tee – aber ich muss dafür Ruhe und Zeit haben. Stress wirkt dem entgegen, denn dann bin ich in Gedanken schon gar nicht mehr hier, sondern schon dort, wo ich in der nächsten halben Stunde sein sollte.
Im Moment leben, den Moment wahrnehmen setzt voraus, dass ich Zeit habe zu reflektieren: ich trinke jetzt Tee. Wie riecht der Tee? Wie fühlt sich die heiße Tasse in meinen Händen an? Wie spüre ich den warmen Tee, wenn ich schlucke und er in meinen Bauch fließt? Ich kann an der Bushaltestelle, an der U-Bahnhaltestelle aufmerksam auf mich sein: wie stehe ich? Wie fühlt sich der Boden unter mir an? Wie atme ich? Und ich kann mein Handy mal in der Tasche lassen, wenn ich mit der U-Bahn fahre. In mich hineinhorchen, oder die Leute beobachten. Ich kann mein Gegenüber mal anlächeln und werde erstaunt sein, was das auslösen kann.
Oder: beißen Sie in einen Apfel. Wie riecht er? Wie schmeckt er? Kauen Sie langsam und genüsslich – lassen Sie es sich richtig gut gehen.
Natürlich gibt es Situationen, in denen sich Sorgen oder Probleme nicht ausblenden lassen, besonders wenn ich mitten in einer Krise stecke. Dann kann ich aber meinem „Radio Innenleben“, das mir ständig die News meiner Probleme sendet, einen Störsender schicken: durch einfache Wiederholungen von unsinnigen Silben wie „ma-ma-wa-wa-ta-ta-....“. Das schneidet augenblicklich die Denkspirale ab und macht frei für den Moment.
Als Mitglied der OMAS GEGEGN RECHTS wirkt man ja gesellschaftpolitisch. Hat gesellschaftliches Klima auch mit psychischem Wohlbefinden zu tun?
Das gesellschaftliche Klima hat sehr viel mit psychischem Wohlbefinden zu tun. In der Gesellschaft spiegeln sich ja auch unsere persönlichen Ängste wider. Die diversen Krisen, wie der Krieg in der Ukraine, d.h. in Europa, die gesamten Entwicklungen diesen Krieg betreffend, die Klimakrise und alles was damit zusammenhängt und täglich über die Medien, das Internet und die sozialen Netzwerke zu uns gelangen, die Flut der Information, oftmals auch der Desinformation, können emotional und seelisch überfordern und sehr belastend sein, speziell wenn dann noch private Krisen hinzukommen.
Jede, jeder von uns hat doch die natürliche Sehnsucht nach Sicherheit und wir merken alle, dass wir gerade in einer Zeit leben, in der wir uns gar nicht sicher fühlen. Und dann kann sich das Gefühl der Ohnmacht breit machen. Das Gefühl, dass der oder die Einzelne eh nichts ändern kann. Gefährlich wird es dann, wenn politische Gruppierungen oder Parteien diese Ängste der Menschen und ihr Ohnmachtsgefühl für ihre eigene Agenda benützen, schüren und lenken.
Wenn ich hoffe, dass sich etwas zum Besseren ändert, dann muss ich anfangen etwas zu tun und zwar unabhängig davon, ob ich damit Erfolg habe oder nicht. Wenn ich mich von meinen inneren Werten leiten lasse und nicht von der Aussicht auf Erfolg, dann resigniere ich auch nicht, weil das, was ich tue, auf jeden Fall Wert hat. Und das Tun versetzt mich in die Handlungsfähigkeit und nimmt mir das Ohnmachtsgefühl. Mit dem Tun kommt auch die Zuversicht. Überdies wird alles, was mir gut tut und mir Freude macht zum Zuversichtsverstärker und gibt mir Mut.
Die OMAS GEGEN RECHTS wurden übrigens von der Psychotherapeutin und evangelischen Pfarrerin Monika Salzer gegründet, aus ihrer großen Sorge über rechtsextreme Entwicklungen in unserem Land und in ganz Europa. Weil sie in Sorge war, was für eine Welt wir unseren Kindern und Enkel:innen in Zukunft überlassen werden. Dieser gesellschaftspolitischen und überparteilichen Bewegung haben sich mittlerweile Frauen und auch Männer in ganz Österreich, Deutschland, Italien, der Schweiz und Polen angeschlossen, weil ihnen der Schutz der Demokratie und der Menschenrechte ein echtes Anliegen sind. Aktivistin der OMAS GEGEN RECHTS zu sein, ermöglicht es mir, an Demonstrationen oder Kundgebungen teilzunehmen, mich aktiv einzubringen, an Projekten mitzuarbeiten, etc.
Sich einer Gruppe Gleichgesinnter anzuschließen, gemeinsam Pläne oder Projekte zu entwickeln, hilft gegen das Ohnmachtsgefühl. Aber auch wer sich keiner Gruppe anschließen will, kann tätig werden: spenden, Petitionen unterschreiben, oder dem Nachbarn, der Nachbarin helfen, eine Hilfsorganisation unterstützen etc. – es gibt viele Möglichkeiten sich einzubringen für die Gesellschaft und die Welt für einen anderen Menschen ein klein wenig freundlicher zu gestalten.
Leben wir Demokratie als Gesellschaft der Vielfalt, in der jeder Mensch so sein kann, wie sie/er möchte, solange die Freiheit der anderen akzeptiert wird, oder missverstehen wir den Mehrheitsentscheid als Zielsetzung so zu werden, wie die Mehreren?
Demokratie als Gesellschaft leben wir dann, wenn wir der Vielfalt Platz geben und einander in unserer Besonderheit und Einzigartigkeit respektieren. Wenn wir jedem Menschen seinen Platz in unserer Gesellschaft zugestehen, unabhängig von seiner Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung und auch Andersdenkenden, solange sie den demokratischen Boden nicht verlassen. Wenn wir daran festhalten, dass unsere demokratische Gesellschaft auf den Menschenrechten und auf die Rechtsstaatlichkeit gegründet ist. Sobald eine Gesellschaft diesen Boden verlassen will, die Demokratie und den Rechtsstaat anzweifelt, schlecht macht und abschaffen möchte und nur mehr das Gesetz des Stärkeren gilt, dann ist nicht nur die Demokratie in Gefahr, sondern auch unsere Gesellschaft.
Ich denke, es gibt in Österreich eine große Mehrheit, welche die demokratischen Grundwerte und die Menschenrechte als großes Gut schätzen und schützen will. Da geht es nicht darum, so werden zu wollen, wie die Mehrheit, sondern da geht es um demokratische Grundrechte, die wir nicht verlieren wollen. Wer sich nur einer Mehrheit anschließen will, nur um Teil einer Mehrheit zu sein, wird zum Mitläufer. Ich muss sagen, ich war tief berührt und beeindruckt von den letzten Kundgebungen zum Schutz der Demokratie. Ich war so beglückt, dass die schweigende Mehrheit in unserem Land endlich aufgestanden ist und Haltung gezeigt hat, für die Demokratie, für die Menschenrechte und gegen Menschenverachtung und Rechtsextremismus.
Dass in einer Demokratie die Mehrheit entscheidet, liegt am Wesen der Demokratie. In einer Demokratie muss ich mich aber nicht für die Mehrheit entscheiden. Ich kann mich auch für eine politische Minderheit entscheiden. Dass ich mich überhaupt entscheiden darf, ist bereits ein Privileg.
Führt Partizipation nicht zu mehr Sichtbarkeit dessen, was es schon gibt? Hat die Dominanz von Mehrheitsgeschmack (entgegen dem Anders Sein) vielleicht mit Partizipation zu tun?
Teilhabe führt immer zur Sichtbarkeit, egal ob etwas schon da war oder neu ist und das ist gut so. Teilhabe hat zudem eben den Effekt, sich nicht mehr hilflos ausgeliefert fühlen zu müssen, sondern aktiv für eine Sache, eine Bewegung oder für sich selbst einzustehen, aufzustehen und aufzutreten. Die Dominanz eines „Mehrheitsgeschmackes“ wird meines Erachtens weniger von Gruppen oder Initiativen getragen, sondern viel mehr über die Medien und über die Werbung.
Brücke über das bodenlose Nichts - 18.02.2024, Ö1, Lebenskunst - noch zu hören bis 18.03.2024
https://oe1.orf.at/programm/20240218/749967/Bruecke-ueber-das-bodenlose-Nichts
Ich frage mich, wie ich mir in einer Zeit der multiplen Krisen, von Klimakrise bis zur aktuellen Krise im Nahen Osten, die lebensbejahende Kraft der Zuversicht bewahren kann?
hier zum Zuversichts-Essay
20 September 2023
Wir leben in einer Zeit der multiplen Krisen. Nach den herausfordernden Jahren der Pandemie, werden wir nun nahezu täglich mit Kriegen konfroniert. Viele von uns leiden empathisch mit den von Krieg und Terror betroffenen Menschen in der Ukraine oder im Nahen Osten mit. Wie soll da nicht Zuversicht und Hoffnung verloren gehen, angesichts der täglichen Schreckensmeldungen?
Vermutlich haben schon viele von uns, z.B. in den letzten Jahren der Pandemie, auch ganz persönliche Krisen durchlebt. Ich hatte 2008 eine existenzielle Lebenskrise. Heute kann ich aber sagen, ich habe sie gut gemeistert und geholfen hat mir dabei die Zuversicht.
"Wir können den Wind nicht drehen, aber wir können das Segel neu setzen." Diesen Gedanken hat mir meine Therapeutin mitgegeben und ich finde, er ist ein schönes Bild für die Zuversicht.
Was also ist „Zuversicht“? Und wie unterscheidet sie sich von „Hoffnung“? Beides bedeutet, der Möglichkeit Raum zu geben, dass eine Situation, eine Entwicklung auch wieder gut werden kann. "Zuversicht ist eine innere Kraft, die vieles zum Positiven verändern kann."* Deshalb ist Zuversicht für mich etwas Aktives. Sie motiviert mich zu handeln, mein Schicksal anzuschauen und mich zu fragen, wie ich es annehme, was ich jetzt daraus mache. Im Gegensatz dazu ist für mich Hoffnung etwas, das mir von „oben“ zufällt, etwas, das ich nicht in der Hand habe. Sowohl zur Zuversicht als auch zur Hoffnung gehören Geduld und Mut. "Hoffnung bedeutet dem Erhofften den Weg zu bahnen – sich dem Erhofften aktiv zuzuwenden, bedeutet Zuversicht."*
"Die Hoffnung ist zukunftsorientiert. Die Zuversicht entfaltet aber im Hier und Jetzt ihre Wirkung, und zwar unabhängig davon, ob ich das erhoffte Ziel erreiche oder nicht, denn Zuversicht bedeutet, mich von meinen Werten leiten zu lassen, nicht von der Aussicht auf Erfolg."* Deshalb lässt mich Zuversicht nicht resignieren – es geht ja um meine innere Werteeinstellung, die ist unabhängig davon, ob es ein Happy End geben wird oder nicht. Von dieser Zuversicht lassen sich z.B. die Klimaschutzaktivist:innen oder die Friedensaktivist:innen leiten und auch ich habe mich davon leiten lassen, in meiner schwersten Lebenskrise. Von der Überzeugung, dass das, was ich tue, wer ich bin, Wert hat.
Hoffnung und Zuversicht sind beide mit einer Entscheidung verbunden. Immer wieder musste ich mich neu entscheiden, mich fragen: auf welcher Seite stehe ich? Auf der Seite der Angst – oder der Zuversicht? Auf der Seite des Zweifels oder des Mutes? Und was davon tut mir gut? Nelson Mandela drückte es so aus: „Mögen deine Entscheidungen deine Hoffnungen widerspiegeln, nicht deine Ängste!“ Eine bewusste Entscheidung zur Zuversicht bedeutet, "ich will mich einer schwierigen Situation stellen und lernen, wie ich ihr zuversichtlich entgegentreten kann."*
In meiner Lebenskrise war ich gezwungen einen ganz neuen Lebensweg einzuschlagen, einen neuen Beruf zu erlernen. Dass mir das alles leichtgefallen ist, wäre gelogen, aber: meine Neuorientierung stimmte mit meiner inneren Wertehaltung überein und deshalb war ich zuversichtlich, das Richtige zu tun.
Nähren musste ich meine Zuversicht mit geeigneten Strategien gegen meine Angst vor der Ungewissheit. Während meiner Krise wollte ich viel gehen, schon frühmorgens. Dabei konnte ich meine Gedanken ordnen, Schritt für Schritt. Das aktiviert die Gehirnstrukturen und schüttet Glückshormone aus. Ich wurde zuversichtlicher, mein Blick, mein „Ausblick“ hat sich geweitet, denn beim Gehen entstehen Denk- und Lösungswege und neue Perspektiven tun sich auf. In dem Wort „Zuversicht“ steckt übrigens das Wort „Sicht“. Nur mit Zuver-Sicht können wir auch im Nebel der Ungewissheit vorwärtskommen, langsam, Schritt für Schritt. Soweit die Sicht eben reicht.
Wer eine Krise erlebt, die einem sprichwörtlich den Boden unter den Füßen wegzieht, hat das Gefühl ins Bodenlose zu fallen. Bei mir war es so. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich ständig Schritte ins Leere gemacht habe, voller Unsicherheit und Ungewissheit. Erst, als ich mich wirklich darauf eingelassen habe, dieses „Niemandsland“ zu betreten, habe ich entdeckt, dass sich Schritt für Schritt ein Weg bahnt, so wie Hilde Domin schrieb: „Ich setzte meinen Fuß in die Luft, und die trug.“ Die Zuversicht kann dabei die Brücke sein über das bodenlose Nichts.
Meine Therapeutin hatte mir oft gesagt: Haltung gibt Halt. Sie meinte damit sowohl die innere Wertehaltung als auch eine aufrechte Körperhaltung. Und auch die Zuversicht braucht eine aufrechte Haltung. Ich habe gelernt, präsent zu sein im Augenblick. Das bedeutet, gut verankert zu sein im Hier und Jetzt. Der Körper kann wie ein Anker wirken und damit Halt geben.
"Jede Krise hat eine mehrzeitliche Ebene: die Vergangenheit kann ich nicht mehr rückgängig machen, die Zukunft ist ungewiss und kann ich nur bedingt beeinflussen, aber im Hier und Jetzt kann ich gestalten."* Gestalten kann ich, wenn ich mir meiner Ressourcen bewusst bin und diese wirken wie „Zuversichtsverstärker“.
kreativ werden – weg vom Gedanklichen hin zum Handwerklichen, zum Kreativen: Klavier spielen, malen, mit Ton arbeiten, tischlern, gärtnern. Die Hände signalisieren uns Hand-lungsfähigkeit und wir fühlen uns nicht mehr hilflos ausgeliefert.
singen – mit sich im Einklang sein, die eigene Resonanz spüren – in Selbstresonanz sein; singen löst bei mir Wohlgefühle aus, meinem Gehirn werden sofort positive Gefühle signalisiert.
schreiben – schreiben schafft Distanz, ich kann reflektieren, im Schreiben kann ich meine Befürchtungen, meine Sorgen auf Papier bannen, raus aus meinem Kopf nehmen – unter Umständen kann ich sogar Probleme schriftlich lösen, belastende Szenen umschreiben, ändern – ich kann kreativ umgehen mit allem, was ich schreibe – so erlebe ich mich als handlungsfähig. Etwas Bedrängendes vom Kopf auf Papier zu bannen, schafft Distanz und kann befreiend sein.
Freunde und Freundinnen, vertrauensvolle und haltgebende Beziehungen – in Beziehung bleiben, auch wenn es in der Krise nicht einfach war. Wer hört sich schon gern Probleme an? Wer erträgt schon die Trauer seines Nächsten? Ich habe mir ein Beziehungsnetz geschaffen, von mehreren Freunden und Freundinnen. Hatte mal eine:r keine Zeit oder war nicht erreichbar, so habe ich den Nächsten oder die Übernächste angerufen. Irgendjemand hatte dann Zeit und den Mut sich meine Sorgen anzuhören, oder mit mir zu reden. Menschen, die mir in meiner Krise etwas zutrauten, die trotz all meiner Trauer und Unsicherheit an mich und meine Fähigkeiten glaubten, empfand ich als großes Geschenk.
Tagesstruktur war für mich wichtig. Ich war alleinerziehende Mutter. Ich musste da sein für meinen Sohn – die damals bereits erwachsene Tochter, was schon aus dem Haus. Meine Zuwendung zu meinem Sohn zwang mich in eine Struktur und da zu sein für ihn. Auch meine Arbeit in Theaterproduktionen, mein neues Studium und meine ehrenamtlichen Tätigkeiten haben mir Struktur und Halt geben und waren somit Zuversichtsverstärker.
Dankbarkeit - Zuversicht beginnt mit Dankbarkeit für alles, was in meinem Leben gut gelungen ist und mit dem Erinnern, dem Bewusstsein darauf, dass was einmal gut gelungen, gut geworden ist, auch wieder gut gelingen, gut werden kann. „Hoffen ist erinnern in die Zukunft hinein.“ Melanie Wolfers
Der Zuversichtsverstärker Humor schafft eine heilsame Distanz zu einem scheinbar unlösbaren Problem und kann in schwerwiegenden Krisen "zumindest eine Atempause verschaffen."*
Meine Spiritualität, mein Festhalten an meinem Glauben, trotz aller Zweifel, hat mich ermutigt und mir Zuversicht gegeben: Gott wird mich nicht fallen lassen und nicht der Verzweiflung ausliefern. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich beim Namen gerufen, du bist mein!“ Spiritualität kann eine Kraftquelle sein – und ein Zuversichtsverstärker. Die Spiritualität lässt mich das Wunder meines Da-Seins erkennen und mich manchmal die Gegenwart von etwas Größerem, etwas Allumfassendem erkennen, und dass ich geborgen bin in einer allumfassenden Liebe, die es gut mit mir meint und mich auffängt. „Wir fallen nie tiefer als in Gottes Hand."
Quellen:
*Melanie Wolfers, „Zuversicht – Die Kraft, die an das Morgen glaubt“, gutes Leben - bene!